Haben Sie schon einmal von Sybilla Schwarz gehört? Eine kleine Umfrage im eigenen Umfeld ergab, dass jedenfalls ich mit dieser Bildungslücke nicht so alleine dastand.
Wenn auch Sie den Roman „BILLIE 'Ich fliege Himmel an mit ungezähmten Pferden'“ von Stefan Cordes lesen, werden Sie zukünftig nicht nur mit Wissen über diese deutsche Barockdichterin, deren Werk
und Leben in Greifswald beinahe in Vergessenheit geraten wäre, prahlen können. Sie werden auch dazu beitragen, dass sie sichtbarer wird – was ihr sehr zu wünschen wäre.
Vor allem werden Sie sich bereichert fühlen, und ich will Ihnen auch gerne sagen, warum:
Sie werden bei der Lektüre in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges versetzt werden und dabei das ein oder andere Geschichtsbuch aufschlagen vor lauter Interesse und „Wie war das damals noch mal?“
(Machen Sie dabei aber bitte nicht den Fehler, den ich gemacht habe, und gucken Sie während der Lektüre nicht in den Wikipedia-Artikel über Sybilla Schwarz, das spoilert unnötig). Sie werden
erfahren, wie grausam und beschwerlich diese Zeit war, werden davor aber nicht zurückschrecken, weil die Geschichten von Billie (Sybillas Spitzname) und ihren Schwestern voller Lebensfreude und
-mut stecken. Sie werden bestaunen, mit welcher Klugheit und Willenskraft es Billie gelang, ihren kreativen Weg einzuschlagen und ihre poetische Stimme zu entwickeln – und das wohlgemerkt in
einer Zeit, in der Frauen dafür bestraft oder gar als „Hexen“ verbrannt wurden, wenn sie sich den männlichen, unterdrückenden Vorstellungen widersetzten. In diesem Zusammenhang werden Sie sich
möglicherweise schütteln und sich sagen: „Meine Güte, von manchem davon sind wir in der heutigen Welt noch nicht oder nicht mehr so weit entfernt!“, oder sich aufs Neue darüber empören, dass
ausgerechnet ein Donald Trump von einer „Hexenjagd“ spricht, wenn er einer Straftat überführt werden soll.
Vor allem werden Sie gespannt sein und dranbleiben wollen. Sie werden ungläubig sein, was eine junge Frau in einem so kurzen Leben aushalten und erschaffen konnte. Und dann werden Sie sich
wünschen, dass ein solches Buch zur Schullektüre gemacht wird. Weil es einerseits einen wichtigen Ausschnitt deutscher Geschichte vermittelt, und andererseits das Zeug dazu hat, v. a. Mädchen und
junge Frauen zu „empowern“, wie es heute so schön heißt.
Schließlich werden Sie anerkennen, dass es dem Autoren Stefan Cordes, der viele Jahre als Formatentwickler, Creative Director und Produzent für das Fernsehen gearbeitet hat, in seinem Debütroman
gelungen ist, diese glaubwürdige Ich-Erzählerin zum Leben zu erwecken, ja Sybilla Schwarz gar ein literarisches Denkmal zu setzen.
Diese Besprechung wäre nicht vollständig, wenn sie nicht noch dieses enthielte:
Die Information, dass Stefan Cordes in Duisburg aufgewachsen ist und hier bis zum Studium gelebt hat.
Und ein Zitat von Billie:
»Alles war in mir, die Angst, die Wut, der glühende Wunsch zu kämpfen. Nicht mit Säbeln und Pistolen, aber mit meiner Stimme, die ich lernte wie ein Schwert zu führen, und wie ein Herz, das nicht
erkaltete im Winter des Krieges ...«
Buchtitel: BILLIE 'Ich fliege Himmel an mit ungezähmten Pferden'
Autor: Stefan Cordes
Verlag: Bertelsmann
Preis: € 24
ISBN: 978-3-5701-0545-0
Gelesen und empfohlen von: Anke Johannsen