49 coole Typen, die aus einem Nachteil einen Vorteil machten
„49 verblüffende Ideen, die die Welt veränderten“ könnte der Titel dieses Buches auch lauten. Der Schweizer Journalist Domink Imseng hat 49 Ideen aufgegriffen, die Menschen als Notlösung erdachten, die dann zu spektakulären Entwicklungen, Veränderungen, Erkenntnissen führten. In knapper Form erzählt er mitreißend die Fragestellungen und die unvorhersehbaren Folgen. Die Liste der verblüffenden Entscheidungen hängen beispielsweise zusammen mit Steven Spielbergs Erfindung des Horrors, mit Keith Jarretts legendärem „Köln Concert“ mit den Michelin-Sternen, der Erfindung des Tipp-Ex oder der Post-it Zettel.
Die Wirkung beim Lesen ist enorm, man denkt oft: „Das ist ja unglaublich!“ Da man zu Beginn der Geschichten nicht weiß, worauf es hinauslaufen wird, gibt es fantastische Wendungen, Überraschungen und Aha-Effekte. Das macht fast süchtig, so dass sich dieses Buch sehr schwer aus den Händen legen lässt.
Hinzu kommt, dass der auf Buchkunst spezialisierte Mainzer Verlag Hermann Schmidt daraus eine typographische Augenweide gemacht hat. Durch in blau und orange gehaltene Grafiken werden die Themen der Geschichten aufgegriffen und minimalistisch abgebildet. Dass der Autor die historischen Fragestellungen zu Impulsen für uns Lesende verdichtet, gibt dem ganzen auch eine praktische Note. Wie ließe sich im Alltag oder beruflich etwas verändern oder verbessern, wenn man die damals gewählten Strategien übertragen würde?
Daraus ergibt sich ein wunderbarer Nachklang der gelesenen Geschichten und vielleicht sogar eine unvergessene Lektüre. Auf jeden Fall ist es wohltuend zu lesen, wieviel jeder Einzelne vermag.
Buchtitel: Der einarmige Judo-Champion
Autor: Dominik Imseng
Verlag: Hermann Schmidt
Preis: € 25,00
ISBN: 978-3-87439-923-4
Gelesen und empfohlen von: Elisabeth Evertz
Hier kann man tatsächlich mal von einem „schönen Buch“ sprechen. Der amerikanische Illustrator Sam Kalda hat gewitzte, stimmungsvolle Porträts von berühmten Männern und ihren Katzen gezeichnet. 30 finden sich in diesem handlichen Geschenkbuch. In jeweils einer Textseite pro Katzenliebhaber erfahren wir Wissenswertes über die Samtpfoten sowie den Leistungen der Künstler, Politiker und Denker. Die Liste der bekennenden Katzenfreunde reicht von Sir Isaac Newton bis Marlon Brando, von Mark Twain bis Freddie Mercury. Wundervolle Zitate rund um den Stubentiger runden dieses gelungene Werk ab.
Selbst Menschen, die nicht gerne lesen, werden an den liebevoll gestalteten Bildern große Freude haben. Während die Lesenden Verblüffendes über die Gesinnungen und Gefühlslagen der erwähnten Männer erfahren angesichts ihrer schnurrenden Hausgenossen.
Buchtitel: Von Männern und ihren Katzen
Autor: Sam Kalda
Verlag: Insel
Preis: € 18,00
ISBN: 978-3-458-17744-9
Gelesen und empfohlen von: Elisabeth Evertz
Was tut ‚Mann‘ nicht alles für die Angebetete
Der österreichische Autor Wolf Haas ist vielen als Autor der kauzigen „Brenner“-Krimis bekannt. Im Abstand von etlichen Jahren erscheint immer mal wieder ein alleinstehender Roman von ihm – zum Glück. Wir lernen in „Junger Mann“ einen übergewichtigen 13jährigen Dorfjungen in den 1970er Jahren kennen. Bei seinem Ferienjob an der Tankstelle lernt er die schon 20jährge Elsa kennen und verliebt sich in sie. „Das Gute am Verlieben: Die Elsa. Das Problem am Verlieben: Ihr Ehemann.“ Das Problem versucht er zunächst in den Griff zu bekommen indem er sich zum Abnehmen diszipliniert und der Elsa anbietet, ihr Englisch beizubringen. Der LKW-fahrende Ehemann ist oft unterwegs, so dass es Zeit genug für den jungen Mann gibt, sich ins Zeug zu legen.
Der Roman lebt von der Sympathie des Autors für den nicht gerade vom Leben begünstigten Teenager, von der geschilderten Dorfatmosphäre, dem Sound der 1970er und den Sehnsüchten der in weiten Teilen lebensuntüchtigen Eltern. Mit viel Witz und Einfallsreichtum wird die Geschichte zu einer Reise in die Innenwelt des Verliebten sowie durch Süd- und Osteuropa mit verblüffenden Geschehnissen und Einsichten. Ein Lesevergnügen!
Buchtitel: Junger Mann
Autor: Wolf Haas
Verlag: Hoffmann & Campe
Preis: € 22,00
ISBN: 978-3-455-00388-8
Gelesen und empfohlen von: Elisabeth Evertz
Die dörfliche Welt und das innere Erleben
Nach dem sehr erfolgreichen Debüt „Altes Land“ in 2015 waren wir gespannt auf den neuen Roman von Dörte Hansen. Die Erwartungen wurden weit übertroffen. „Mittagsstunde“ ist zwar auch ein Dorfroman wie „Unterleuten“ von Juli Zeh und „Was man von hier aus sehen kann“ von Mariana Leky, wird aber von einem ganz anderen literarischen Wind durchweht.
Endvierziger Ingwer Feddersen kehrt für ein Sabbatjahr in sein nordfriesisches Heimatdorf „Brinkebüll“ zurück um seinen betagten Großeltern behilflich zu sein. Eigentlich kommt ihm die Unterbrechung seines stagnierten Kieler Hochschul- und WG-Lebens ganz recht, findet er doch keinen Dreh, seinem Wunsch nach Veränderung Gestalt zu geben. Die Rückkehr in den Dorfkrug seines Großvaters weckt Kindheitserinnerungen des erwachsenen Archäologen. Schicht für Schicht legt Ingwer die Einflüsse bloß, die für sein Leben richtungsweisend waren. Dazu gehören auch Ereignisse, die zum Mythos der schwindenden Dorfgemeinschaft gehören.
Dörte Hansen schafft eine unwiderstehliche Leseatmosphäre. Die tiefen Einblicke, die sie in die Dorfgemeinschaft ermöglicht verbunden mit ihrer empathischen aber unsentimentalen Erzählhaltung und den Fragen, die sie ihrer Hauptfigur stellt, ergeben einen vielschichtigen, faszinierenden und amüsanten Roman.
Buchtitel: Mittagsstunde
Autor: Dörte Hansen
Verlag: Penguin
Preis: € 22,00
ISBN: 978-3-328-60003-9
Gelesen und empfohlen von: Elisabeth Evertz
Was wäre wenn - In umgekehrter Reihenfolge
Der neue Roman von Astrid Rosenfeld, die viele wegen ihres bemerkenswerten Debüts „Adams Erbe“ aus dem Jahre 2011 schätzen, ist der Band mit der Nr. 1 aus dem neugegründeten Kampa-Verlag. Eine gute Wahl von Daniel Kampa, der vom Diogenes Verlag kommend über Hoffmann & Campe erneuernd nun die Eigenständigkeit gewählt hat. Und das ist sie nun, die 1. Neuerscheinung. Wie so vieles im Leben des Verlegers und der Autorin ist auch in der erzählten Geschichte dem Zufall zu verdanken.
Vom 11. März 1977 beginnend schlängelt der Roman sich durch Raum und Zeit, von Texas über den Ozean nach Europa und zurück in unsere Gegenwart - vom Knaben Maxwell zu den Eltern, den Großeltern und wiederum zurück. Es sind Begegnungen, Verluste und mutige Entscheidungen, die das Leben der Romanfiguren beeinflussen – und immer wieder der Zufall. An manchen Stellen hält man inne und überlegt noch mal, wer wann wo wie wen traf – die Lust an der Geschichte, an der raffinierten Erzählkunst und dem wunderbaren Blick auf die Figuren verliert man aber an keiner Stelle. Astrid Rosenfeld ist eine grandiose Erzählerin.
Buchtitel: Kinder des Zufalls
Autor: Astrid Rosenfeld
Verlag: Kampa
Preis: € 22,00
ISBN: 978-3-311-10001-0
Gelesen und empfohlen von: Elisabeth Evertz
In den USA haben bibeltreue Fundamentalisten die Macht übernommen. Eines der neuen Gesetze trifft die weibliche Bevölkerung mit voller Härte: Frauen dürfen nur noch 100 Worte am Tag sprechen. Die Strafen sind drastisch, die Folgen unvorstellbar: Frauen können nicht mehr kommunizieren, nicht mehr berufstätig sein, sind isoliert, ans Haus gebunden.
Exemplarisch wird hier die Geschichte von Jean er zählt, Wissenschaftlerin, Ehefrau und Mutter. Und durch die neue Situation jeder Eigenständigkeit und Freiheit beraubt. Ihr Mann wird ihr fremd, Sohn und Tochter durch die Ausbildung verändert.
Als ihr Kokon durch Ereignisse aufbricht, fasst sie den Mut, diese Chance zu nutzen…
Ja, die Geschichte ist beklemmend, verstörend aber der Roman ist kraftvoll und anregend. Das ist ein wichtiges und sehr empfehlenswertes Buch zum Thema Freiheit, Selbstbestimmung und Emanzipation.
Buchtitel: Vox
Autor: Christina Dalcher
Verlag: S.Fischer
Preis: € 20,00
ISBN: 978-3-10-397407-2
Gelesen und empfohlen von: Simone Rapelius